Alles Licht, das wir nicht sehen – Rezension

Cover vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt
Alles Licht, das wir nicht sehen
Anthony Doerr

520 Seiten, Taschenbuch

btb Verlag

Inhalt (spoilerfrei)

In St. Malo, einem kleinen Ort an der bretonischen Kiste, während dem 2. Weltkrieg, kreuzen sich die Wege von Werner Hausner und Marie-Laure LeBlanc. Er, ein junger deutscher Soldat, ein WEisenjung und ein Genie, sie, ein französisches Mädchen, das seit seiner Kindheit blind ist. Beide haben wegen des Krieges viel verloren, ist noch genug Hoffnung übrig, um sie durchhalten zu lassen?

 

Meine Meinung zu diesem Buch

Bevor ich gleich detailliert auf die Handlung dieses Buches eingehe, möchte ich allgemein sagen, dass „Alles Licht, das wir nicht sehen“ eine wunderschön geschriebene Geschichte über zwei aussergewöhnliche Jugendliche ist. Obwohl Werner und Marie-Laure zur Zeit der Handlung, die sich über mehrere Jahre und nicht chronologisch verläuft, noch sehr jung sind verhalten sie sich schon sehr früh sehr erwachsen.
Die Geschichte ist in der dritten Person geschrieben, was einen Abstand zwischen dem Leser und den Figuren schafft. 
Anthony Doerr hat es geschafft, die Handlung zwar nicht chronologisch zu erzählen, sie aber trotzdem spannend zu lassen. Er spoilert die Geschichte also nicht selbst.
Da das Buch in sehr kurze Kapitel geteilt ist, lässt es sich gefühlt schneller lesen.
Sehr interessant fand ich auch, wie Marie-Laures Blindheit dem Leser vermittelt wurde.
Da in der dritten Person geschrieben wurde, erhält man schon Beschreibungen von Marie-Laures Umgebung, diese sind aber sehr einfach und ich habe die Art, wie Marie-Laure die Welt sieht, sehr gut verstehen können.
Anders als viele andere Bücher über den 2. Weltkrieg, dreht sich in diesem nicht alles um Juden und KZs, die Deportation von Juden und wie sie behandelt werden wird sehr subtil beschrieben und diese Art der Erzählung hat mir seht gefallen.
Der wunderschöne Schreibstil und die durchdachten Figuren, dazu die Handlung haben mich überzeugt. Ich konnte das Buch auf den letzten 100 Seiten kaum aus der Hand legen und ich habe am Ende auf Goodreads 5 Sterne vergeben. Wer eine actionreiche Kriegsstory will, für den ist „Alles Licht, das wir nicht sehen“ das falsche Buch, allen anderen, die tiefgründige Handlungen bevorzugen, kann ich es nur empfehlen.

Inhalt (Achtung, Spoiler!)

Daniel LeBlanc, Marie-Laures Vater ist Schlosser im Naturhistorischen Museum in Paris. Deswegen verbringt Marie-Laure viel Zeit im Museum, mit 6 Jahren erzählt ihr jemand die Geschichte eines mysteriösen Diamantes, der angeblich verfluch sein soll. Kurz darauf erblindet Marie-Laure. Doch trotz dieser Blindheit besucht sie immer noch jeden Tag das Museum mit ihrem Vater, sie lernt viel über Schnecken und sie liebt es die Schalen zu studieren, in dem sie sie befühlt. Damit sich Marie-Laure in ihrem Quartier noch immer zurecht finden kann, baut ihr Vater ihr eine Miniatur.

Marie-Laures Blindheit wird sehr eindrücklich vermittelt, ich kann nicht genau beschreiben wie, aber es wird nicht auf Gerüche oder Geräusche fokussiert, aber ihre Welt wird sehr reduziert dargestellt und Personenbeschreibungen fehlen logischerweise komplett. Man spürt anfangs auch die Schwierigkeit, die Marie-Laure durchlebt.

Währenddessen wächst Werner Hausner mit seiner Schwester Jutta in Deutschland auf, im Waisenhaus einer Kohleförderungsstadt. Ihr Vater kam bei einem Minenunglück um.
(Was mit seiner Mutter ist, weiss man nicht, genauso wenig wie was mit Marie-Laures Mutter geschah.) Bei einem Streifzug finden Werner und Jutta ein kaputtes Radio und Werner repariert es. Damit können er, Jutta, Frau Elena, die Betreuerin der Weisenkinder und die Kinder Radio hören und Informationen von überall erhalten.
Durch Zufall entdeckt Werner einen Radiosender eines Franzosen, der eine Wissenschaftssendung ausstrahlt. Da Werner von Frau Elena ein wenig Französisch kann, versteht er die Sendung und er lernt sie lieben. Schnell wird klar, dass Werner ein unglaubliches Talent für Physik und Mathematik hat und es gibt kein Radio, das er nicht reparieren kann.
Sehr interessant ist, dass Werners Waisenhaus zwar als ärmlich, aber nicht als Ort der Grausamkeit oder Misshandlung beschrieben wird, wie in vielen anderen Geschichten. Frau Elena ist aufopferungsvoll und liebenswürdig, man spürt wie sehr sie die Waisenkinder liebt. Die meisten anderen Kinder des Waisenhauses spielen aber keine grosse Rolle für die Handlung, ausser zwei ältere Schläger, die der Hitlerjugend beitreten.

Während in Paris Marie-Laure Bücher in Blindenschrift liest und komplizierte Schlossmechanismen, die ihr Vater baut, löst, wird Werner auf einer Eliteschule des Naziregimes aufgenommen. Dort wird sein Talent für Radios genutzt, um eine neue Technologie zur Ortung von Radiowellen zu entwickeln, ausserdem wird er zum Soldaten ausgebildet.
Sein Freund Frederick, der im Bett über ihm schläft, äussert sich kritisch gegenüber der Art, wie Juden behandelt werden und weigert sich, einen Juden zu demütigen, er wird deshalb von der ganzen Schule schikaniert und schlussendlich trägt er für immer geistige Schäden von den psychischen und physischen Verletzungen davon.
Dieses Erlebnis prägt Werner sehr, da er nicht den Mut aufbrachte Frederick zu helfen.

Von Werners Schulzeit zu lesen war sehr brutal, nicht nur wegen den körperlichen Züchtigungen, sondern auch weil sich alles in mir gegen dieses antisemitische und nationalsozialistische Gedankengut gesträubt hat und umso unangenehmer war es von Werner wenig bis gar keinen Protest mitzubekommen.
(Wie schon erwähnt ist die Geschichte in der dritten Person beschrieben und bei solchen Stellen fehlte mir die Persönlichkeit der Protagonisten, die man aus Erzählungen in der ersten Person kennt.)
Der einzige rebellische Akt, den Werner macht, ist darum zu bitten, nach Hause gelassen zu werden, nachdem Frederick die Schule verlassen musste. Dies wird ihm aber verweigert und zur Bestrafung wird Werner viel zu jung in den Krieg geschickt.

Der Krieg macht sich auch in Paris bemerkbar und immer mehr Menschen fliehen aus der Stadt. Auch die LeBlancs wollen weg, ihre Flucht wird aber zu grossen Schwierigkeit, da sie den grössten Teil des Weges zu Fuss zurücklegen müssen. Völlig erschöpft kommen sie in St. Malo, einem bretonischen Küstenort, an. Im Haus von Etienne LeBlanc, dem Onkel von Daniel, weren sie von Madame Manec, der Haushälterin willkommen geheissen. Etienne selbst hat das Haus seit Ewigkeiten nicht mehr verlassen, der Krieg und der Tod seines Bruders, Daniels Vater, hat ihn psychisch schwer mitgenommen und an schlechten Tagen schliesst er sich einfach in seinem Zimmer ein. Marie-Laures Leben in St. Malo ist gut, sie versteht sich gut mit Madame Manec und auch zu Etienne baut sie eine enge Bindung auf, ihr Vater hingegen  baut ganz gestresst ein Modell von St. Malo. Was Marie-Laure nicht weiss, bei ihrer Fluch aus Paris hat ihr Vater den legendären, verfluchten Diamanten mitgenommen, um ihn vor den Nazis zu beschützen und diesen Stein versteckt er im Modell des Hauses, in dem sie leben, Rue Vaborel 4.

Die Wichtigkeit dieses Steines war mir bis zum Schluss nicht ganz klar, er war das Objekt einer unglaublichen Begierde und wurde extrem vorsichtig geschützt, doch wozu das alles? Er ist wertvoll, aber schlussendlich doch nur ein Stein.
Trotzdem, dieser Stein bildete den roten Faden durch die Geschichte.

Daniel erhält eine Nachricht, die ihn nach Paris zurückbeordert, aber auf dem Weg wird er von den Nazis verhaftet. Marie-Laure bekommt nur noch wenige Briefe von ihm, in denen er ihr versichert, wie gut er behandelt wird. Die Tatsache, dass man nie wirklich sieht, wie es ihm tatsächlich geht, beflügelt nur unsere Fantasie und wir wollen nicht wissen, was er alles durchmachen muss.

Werner mit Volkheimer, einem riesigen Jungen, den er noch aus der Eliteschule kennt, und zwei anderen Soldaten durch das Reich, um feindliche Radios und deren Betreiber aufzuspüren. Dabei passiert ihm etwas, was ihn schwer trifft. In Wien vertut er sich und denkt einen Radiosender gefunden zu haben, bei der Räumung des Hauses in dem es sich angeblich befindet, wird ein Mädchen und dessen Mutter getötet. Doch Werner merkt schnell, dass sich kein Radio in dem Haus befindet. Dieses Mädchen verfolgt ihn von diesem Moment an.

Etienne zeigt Marie-Laure, dass er und sein Bruder eine Radiostation geschaffen haben, wo sie Wissenschaftssendungen ausgestrahlt haben, und Musik. Die Stimme, die Werner gehört hat, war die von Marie-Laures Grossvater.

Im Laufe der Besetzung St. Malos beginnt Madame Manec eine kleine Rebellion, die miteinschliesst, dass Etienne Nachrichten über seine Radiostation versendet, alle anderen Radios wurden eingezogen und der Besitz eines Radios wird mit Erschiessung bestraft. Trotzdem machen die LeBlancs und Madame weiter. Etienne lebt sichtlich auf in dieser Zeit. Aber eine Krankheit kostet Madame das Leben und Marie-Laure beweist, dass sie selbst in der Stadt klarkommt. Und sie und Etienne machen alleine weiter.

Unterdessen wird Werner nach St. Malo beordert, da die Besetzer Wind von Etiennes Radio bekommen haben und wollen, dass Werner es aufspürt. Als Werner aber hört, dass es die selbe Station ist, die er als Kind gehört hat, verbirgt er sein Wissen über den Standort des Radios.
Doch Werner ist nicht der einzige, der die Rue Vaborel 4 im Auge behält, Hauptmann von Rumpel ist schon lange auf der Suche nach dem Diamanten und er hat dessen Spur bis nach St. Malo verfolgt.
Als Etienne dann verhaftet wurde und Marie-Laure alleine im Haus ist, kommt er um den Stein zu holen. Marie-Laure schaffte es, sich im geheimen Dachboden zu verstecken und dort harrt sie aus, doch von Rumpel hätte sie früher oder später entdeckt, wäre nicht Werner gekommen und hätte ihn getötet. Da in der Zwischenzeit die Stadt unter Beschuss zu geraten droht, bringt Werner sie aus der Stadt. Was Marie-Laure nicht weiss, Werner war kurz zuvor verschüttet worden und hat mit Volkheimer unter der Erde ausgeharrt. Ein anderer seiner Gruppe starb dabei. Als letzte Verzweiflungstat, das Wasser war ihnen ausgegangen und die Luft wurde knapp, sprengten sie den Schutt weg, trotz der Gefahr sich selbst in die Luft zu jagen. Nachdem sie entkommen sind, lief Werner zur Rue Vaborel 4.

Die kurze Interaktion von Werner und Marie-Laure war einfach wunderschön. Vor allem die Zuneigung, die Werner für Marie empfunden hat, und die man als Leser auch wirklich gespürt hat war unglaublich, und trotzdem wirkte sie nicht erzwungen.

Es hätte so gut enden können, wäre Werner nicht auf dieses Minenfeld hinausgelaufen.

Das Ende der Geschichte war sehr emotional, mit Juttas Besuch bei Marie-Laure in Paris, und Volkheimers Besuch bei Jutta. Werners Verlust hat sie alle verändert und ich hatte das Gefühl, das Werner von Anfang an nicht
dazu bestimmt war, den Krieg zu überleben.

Die letzten 150 Seiten habe ich hier schlecht zusammengefasst, was daran liegt, dass ich sie in der Schule während des Unterrichts und in den Pausen gelesen habe, ich habe mir nichts mehr notiert ausser „Werner heul denn ich war so in dieser Geschichte gefangen.

Ich habe dieses Buch, über das Bloggerportal, vom btb-Verlag im Austausch für eine ehrliche Rezension zugeschickt bekommen und dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Dieses Buch hat alle meine Erwartungen übertroffen.

Joëlle


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