Lesen war
die längste Zeit ein grosser Teil meines Lebens, nicht nur das Lesen an sich, sondern
der Austausch über Bücher, mein Bookstagram Account, Rezensionen lesen und anschauen,
Neuerscheinungen vorbestellen und die Tage zählen bis sie endlich ankommen
würden. Meine Liebe zum Lesen kam früh auf, mit dem ersten richtigen Buch, das
mir geschenkt wurde: Die wilden Hühner von Cornelia Funke. Sofort fieberte ich
Weihnachten entgegen, weil der zweite Band ganz oben auf meiner Wunschliste stand
(meine Wunschliste bestand immer ausschliesslich aus Buchtiteln). Es folgten
Hanni und Nanni und Freche Mädchen Bücher, aber kein anderes Buch hatte denselben
Einfluss auf mich, wie die wilden Hühner. Bevor ich Harry Potter oder Twilight
auch nur kannte, war ich bereits über beide Ohren verliebt in die Tintenwelt. Damit
begann meine Leidenschaft für neue, faszinierende Welten und mit ihr eine tiefe
Liebe zum geschriebenen Wort. Denn die Liebe zu Büchern und Geschichten spielt auch
in den Büchern von Cornelia Funke immer eine grosse Rolle. Sowohl in der Tintenwelt
als auch in der Reckless Reihe, auf die ich mich wahnsinnig gefreut hatte, als deren
erster Band erschien. Elinors Haus, gefüllt mit Büchern, Fridas Einmachgläser
mit Erinnerungen, Jacobs Faszination und Liebe für die Märchen, die in der
Spiegelwelt noch Wirklichkeit sind, haben immer schon meine eigene Liebe zu
Geschichten gespiegelt und verstärkt.
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IG: @reading_joelle
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Das Lesen
blieb lange ein Teil meiner Identität, aber irgendwann begann mein Studium und
nach langen Lerntagen in der Bibliothek hatte ich nicht mehr die Musse in
meinen wenigen freien Stunden am Abend wieder in der Stille zu sitzen und zu lesen.
Viel öfters griff ich daher zu meinem Laptop und liess mich auf Netflix berieseln.
Je weniger ich las, desto kleiner wurde auch das Interesse an Wochenenden
Photos für meinen Bookstagram Account zu machen, oder Videos über Bookhauls und
Challenges zu schauen. Es fühlte sich an als würde ein Teil von mir fehlen, den
ich nicht mehr zurückbekommen kann. Ich habe schon immer noch gelesen, aber
viel weniger und immer häufiger auf Hörbücher zurückgegriffen, da diese beim
Pendeln an die Uni deutlich praktischer waren. Und dann fiel das Pendeln weg,
denn die Vorlesungen wurden elektronisch und der Bewegungsradius plötzlich
wieder sehr klein. Ich fühlte mich in der Zeit zurückversetzt. Wieder so viel
Zuhause, die Familie um sich herum, wenig Selbstbestimmung, viel miteinander.
Als ob ich wieder ein Kind wäre. Dieses Gefühl brachte auch ein grosses Bedürfnis
nach Büchern mit sich. Anfangs war ich auch noch naiv genug zu denken, dass der
Lockdown mir mehr Freizeit geben würde, die ich praktischerweise verwenden
könnte, um all die Bücher zu lesen, die bereits Jahre ungelesen in meinen
Regalen stehen. Doch wie viele andere habe ich schnell realisiert, dass die
Arbeit von zuhause keinen Feierabend und keine Wochenenden kennt und die Tage
viel zu schnell vorüberziehen. Der Sommer zog vorbei, eine willkommene kleine
Pause, ein bisschen mehr Normalität, mal wieder die Freunde sehen, die man
monatelang nicht besuchen konnte und die man auch nie gehört hat, weil die
Energie zum telefonieren auch gefehlt hat.
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IG: @reading_joelle
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Es wurde
Herbst und Winter und irgendwann in dieser regnerischen Zeit erschien der
vierte Band der Reckless Reihe. Endlich. Nach so vielen Jahren. Ich habe, nicht
sofort das wäre gelogen, aber innert kurzer Zeit den ersten Reckless Band
wieder aufgeschlagen, da es bereits 5 Jahre her war, dass ich diesen das letzte
Mal gelesen hatte und nach dem ich Monate lang keine einzige Seite gelesen
hatte, flogen die Seiten von Reckless innerhalb eines Wochenendes nur so durch
meine Finger. Und erst jetzt konnte ich erkennen, was Cornelias grösstes Talent
ist; natürlich, die Welten und Figuren die sie erschaffen kann sind fantastisch
und nie nur gut oder böse, es ist immer eine bittersüsse Mischung aus
Leidenschaft und Schmerz der ihre Geschichten antreibt, aber was Cornelia Funke
am meisten herausstechen lässt ist ihr Schreibstil. Ihre Fähigkeit Bilder in
den Köpfen der Leser zu erschaffen und diesen einen Lebensfunken einzuhauchen.
Noch immer denke ich bei trommelndem Regen an die Szene aus Die wilden Hühner, in
der das Prasseln des Regens beschrieben wird als das sanfte Klopfen von den
Fingern eines Riesen auf das Dach des Wohnwagens. In Cornelias Welten einzutauchen
hat in mir den Wunsch nach mehr erweckt, ich habe in den letzten Wochen mehr
gelesen als im ganzen letzten halben Jahr. Denn diese Liebe zu Büchern, die Sie
in mir erschaffen hat war nie ganz weg und besser als Dunbar könnte ich es
nicht beschreiben:
«Zuhause… Dunbar
nannte keinen Ort der Welt so, aber sobald er in einen Raum voller Bücher trat,
sass das Wort ihm auf der Zunge und im Herzen.»
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Reckless
– Das goldene Garn, S.351
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